Nachdem klar war, dass es mit einer Sightseeing-Tour durch Bollywood-Studios nichts werden würde – wir haben es mit der Online-Bezahlung nicht hinbekommen und im Nachhinein waren wir auch gar nicht traurig drum – hatten wir Zeit, noch einmal zum Nariman Point zu schlendern, wo der “Happy Ending”- Film so kitschig-schön endete. Und wir hatten Zeit, durch so manches teure Einkaufszentrum zu bummeln, das wir beim ersten Spaziergang durch das Viertel hinter schlichten Betonfassaden nicht vermutet und daher glatt übersehen hatten. Es war noch früh am Morgen, man kam nach dem Routine-Sicherheitscheck zwar schon hinein, aber die meisten Geschäfte waren noch geschlossen. Das gab es also auch in Mumbai: mehrstöckige Einkaufszentren mit den feinsten Shops, alle hinter Glas sorgfältig gesichert, wie in Hamburgs Europa-Passage. Die ersten Geschäftsleute öffneten, versuchten uns hineinzulocken: “Good morning Madam, good morning Sir, have a look! Nice shawls!” Klar, hier gab es auch einen Friseur, der mit Sicherheit einen europäischen Haarschnitt für mich hinbekommen hätte, zu einem europäischen Preis, versteht sich, aber das brauchte ich ja nicht mehr. Mein Gott, was waren das für Extreme in dieser Stadt! Auf der einen Seite die vielen Bettler, jungen Mütter mit ihren Kleinkindern, Schuhputzer und kleinen Händlersgehilfen, die jede Nacht auf den Straßen schliefen, auf der anderen Seite diese Luxuspaläste zum Shoppen. Und dieses Einkaufszentrum hier war noch nicht mal eines für die Superreichen, wie es sie unten beim Nariman Point gab. Dieses hier war wohl eher für Leute wie uns gedacht.
Ein Sightseeing-Highlight stand noch aus: die National Gallery of Modern Art. Hier gab es gerade eine wirklich überwältigend faszinierende Ausstellung zum Thema Akustik: Töne, Musik, Heilung, Instrumente, Weiblichkeit, Göttinnen – mit allem wurde experimentiert und man wurde eingeladen, selbst Hand anzulegen. Es machte total Spaß, mit den Ausstellungsstücken Töne zu erzeugen, eine Kettenreaktion in Gang zu setzen, Lingams zu berühren und dadurch eine Melodie hervorzurufen oder eine indische Göttin einen Dämon besiegen zu sehen, in diesem Fall in Gestalt eines brennenden Mannes. War das die weibliche Rache an den Witwenverbrennungen der Vorzeit? Auch indische Schulklassen waren unterwegs und brachten die Galerie zum Klingen. So manchem Besucher mochte der Geräuschpegel zwar eher als chaotischer Lärm in den Ohren gedröhnt haben, aber sobald man selbst mitmischte, siegte einfach das Vergnügen.
Danach gingen wir in einen Musikladen und deckten uns mit indischen CDs ein, um später auch eine musikalische Erinnerung an unsere Reise zu haben. Auf dem Weg zum Lunchlokal machten wir den unausweichlichen Abstecher zu unserer Lieblings-Saftbar und schlürften einen Ganga-Yamuna, einen Orangen-Mandarinen-Mix, frisch gepresst, einfach nicht zu toppen. Auf den Bombay Duck, ein Eidechsen-Fisch-Gericht in dem auf parsisches Essen spezialisierten Restaurant bei uns um die Ecke mussten wir leider verzichten, war “out”, wir waren zu spät. Nach einer ausgiebigen Mittagsruhe im Hotelzimmer machten wir uns auf zu unserem Sunset-Mumbai-Abschiedsdinner, auf die Rooftop-Terrasse des InterConti. Um kurz vor sechs leuchtete die Sonne dunkelrot am Horizont, wir hatten den allerbesten Blick auf die Skyline von Mumbai und bekamen die besten Plätze mit Aussicht. Es war ein stinknormaler Donnerstag Abend, daher kein Gedrängel in Mumbais angesagtester Poolbar. Am Nachbartisch feierte ein Inder mit Freunden und amerikanischen Frauen Geburtstag. Der Alkohol floss als wäre es Wasser, die Leute, besonders die Frauen, waren schon nach kurzer Zeit betrunken, wurden peinlich laut und entblößten in breitestem amerikanischen Slang Intimes aus ihrem Privatleben, das niemanden interessierte. Wir genossen trotzdem unseren letzten Abend hoch über dem Marine Drive von Mumbai. Wir bestellten einen Sunset-Downer-Cocktail, ‘ne Sangria, Sodas und einen Ziegenkäse-Spinat-Pfannkuchen. Das passte. Ein letzter Abstecher zu unserer Saftbar und dann:Tschüß, Mumbai, du aufstrebende, moderne indische Stadt der großen Extreme! Vergiss nur deine Armen nicht! Morgen würde es für uns weitergehen, nach Südindien.