Von Aluminé nach Rahué

Der gestrige Tag hat uns so gut gefallen, dass wir mit dem Faulenzen, Lesen und Entspannen heute gleich – naja zumindest nach 40 Kilometern Schotterpiste – weitergemacht haben. Wir sind nach dem Frühstück etwa elf Kilometer zu unserer nächsten Unterkunft gefahren, haben unser Gepäck abgeladen, und dann ging es zum Lago Quillen.

Staubige, steinige Piste entlang durch fast menschenleeres, schroffes Land – und doch plötzlich ein Hinweis, dass man die Geschwindigkeit reduzieren sollte – wir kamen an einer Schule vorbei. Sie war leer, es sind ja gerade Ferien. Aber man fragt sich natürlich, wie in dieser Einöde überhaupt ein geregelter Schulunterricht  stattfinden soll? Das letzte Stück zum See wurde noch unwegsamer, eine schmale Aneinanderreihung von Schlaglöchern – Dieter und der Chevi haben sie genial gemeistert. Und dann: ein traumhafter Campingplatz mit ungetrübtem Blick auf den wolkenlosen Volcán Lanín.
Das war atemberaubend. Der Mapuche-Zeltplatzwart verkaufte uns noch Käse, Brot und Äpfel – so dass auch eventuell aufkommende Hungergefühle am Mittag gestillt werden konnten. Es waren noch ein paar andere Urlauber am Strand. Eine Frau ging mit einer Angel ins Wasser – es war die erste Frau, die ich jemals angeln gesehen habe – und schon kurz darauf kam sie mit einem dicken Fisch in der Hand wieder heraus. Stolz ließ sie sich damit von den anderen fotografieren. Wir haben es nur von weitem beobachtet, wollten erstmal ankommen. Die Provinz Neuquén in Nordpatagonien mit ihren vielen Seen und Flüssen gilt als Paradies für Angler. Schade, dass wir vom Angeln null Ahnung haben, und es noch nie ausprobiert haben. Wir haben weiter in unseren Büchern gelesen, gebadet – das Wasser war erstaunlich warm, seicht und klar, unser Blick immer wieder fasziniert auf den schönen Vulkan gerichtet. Wo war eigentlich Norden? Wo Süden? Der Vulkan müsste von uns aus im Süden liegen. Aber die Sonne stand zur Mittagszeit eindeutig gegenüber, also im Norden. Nach einigem Hin-und Her, dem Austausch von viel Halbwissen und Klugscheißerei und einer Kommunikationspause kam jedem von uns einzeln die Erleuchtung: Natürlich lag der Vulkan von uns aus im Süden, und natürlich stand die Sonne mittags im Norden. Wir sind ja auf der Südhalbkugel, und da nimmt sie eben zur Mittagszeit im Norden ihren höchsten Lauf. Wir waren halt beide vorher noch nie auf der anderen Seite des Äquators, da verirrt man sich schon mal in Gewohnheiten, die nicht überall funktionieren. Aber schön, wenn Verwirrung und Unsicherheit Logik und Klarheit weichen. Wir hatten die Orientierung wiedergefunden.


Erst gegen halb sieben machten wir uns auf den holprigen Rückweg. Abends ließen wir uns in unserer Pension bekochen: Es gab einen leckeren Rindereintopf. Dass die Argentinier immer so spät essen – wir sind um halb neun immer die ersten Gäste – werde ich allerdings wohl nie verstehen.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>