Helambu-Trekking Tag 6 von Ghang Yul (2770m) nach Kakani (1996m)

Beim Frühstück war Laxmi noch da und bediente uns. Zum Abschied schenkten uns Dolma und Laxmi zwei buddhistische Gebetsschals.

Wir waren quasi Freunde geworden. Heute ging es zum Glück größere Strecken auf ebenen Schotterpisten voran, aber doch immer auch kleine Pfade bergab. Dieter hatte üble Kreuzschmerzen. Wir kamen an einem goldenen Stupa vorbei: Schuhe ausziehen, die Treppen hinauf, die Glocke schlagen, im Uhrzeigersinn herumgehen, staunen.

Ich hatte nur den einen Wunsch: Dass Dieter es bis nach Kakani durchhalten möge. Ein bettelarmer Mann mit Zahnlücken und barfuß kam uns entgegen und grüßte freundlich “Namaste”. Zwei junge Dänen hatten sich zu dreiwöchiger freiwilliger Arbeit in der nepalesischen  Landwirtschaft entschieden. Sie jäteten gebückt Unkraut und schienen zufrieden, helfen zu können. Wir kamen an abgeernteten Maisfeldern vorbei, Kohl wurde angebaut, und immer wieder Reis und Hirse. Nach fünfeinhalb Stunden kamen wir heil in Kakani an, im “Hotel Everest”. Hier gab es eine heiße Dusche und das erste Sitzklo nach fünf Tagen. Wir hatten die ganze erste Etage für uns. Und einen Balkon. Super!

Helambu-Trekking Tag 5 von Melamchigaon (2530m) über Tarkeghyang (2740m) nach Ghang Yul (2770m)

In der “guten Stube” konnten wir heute unser Frühstück am Tisch einnehmen – gestern mussten wir im Schneidersitz essen, weil die französischen Touris die Tischplätze besetzt hatten – ausgerechnet gestern, nach unserem Abstiegsmarathon! Es gab Tomatenomelett und tibetisches Brot. Die Sonne schien, die Berge leuchteten, die Knie waren in Ordnung. Wir passierten das Kloster von Melamchigaon – es kam gerade eine Horde gut gelaunter, mit Schlafsäcken bepackter Buddhisten aus dem zweiten Stock, die eine dreitägige Schweigemeditation hinter sich hatte, wie Raju uns erzählte. Wir gingen bergab, etwa zwei Stunden.Vor der nächsten nepalesischen Hängebrücke – für uns ja kein Problem –  ein wunderschön gelegenes Haus. Gebetsfahnen, bunte Blumen, ein Mann mähte Rasen auf nepalesisch: mit der Heckenschere.

Dann ging es etwa zwei Stunden bergauf, schmale Pfade, ab und zu ein Wasserfall, nepalesische Eichen, Bambus, Rhododendron, Glockenblumen. Als wir das nächste Dorf passierten, standen vier Kinder am Wegrand. “Can you help? Have medicine?” Ein Junge streckte uns seinen übel verletzten Fuß entgegen. Aus einer Wunde eiterte es schon. Wir hatten nur ein Desinfektionsspray, sterile Wundverbände, Pflaster.  Besser als nichts. Die Mutter rief von hinten, dass er am Arm auch noch verletzt sei, aber Raju wimmelte ab, mehr ging nicht.

Lunch im “Tourist’s Paradise” Tarkeghyang, dem laut Speisekarten-Info ältesten (seit 1978) und bestausgestatteten Hotel im Helambu. Solaranlage auf dem Dach, Hot Shower 100 Rs. Wir waren die einzigen Gäste. Die Sonne schien, es war ein Paradies.

Wir liefen ein Stück auf einer ebenen Schotterpiste. Wandern ist also auch dabei, welch ein Genuss! Schon ging’s wieder den Pfad hinunter, durch den Dschungel. Von einem Baum aus wurden wir von einem halben Dutzend Affen beobachtet. In Ghang Yul begrüßte uns die 55-jährige Wirtin Dolma. Sie konnte ein wenig Englisch. Sie zeigte mir, wo ich unsere T-Shirts auswaschen konnte. Beim Abendessen in der heimeligen Stube lernten wir auch ihre Schwester und Laxmi, ihre 23-jährige  Nichte, kennen. Laxmi studiert Psychologie in Kathmandu, hat ihren Bachelor in Social Works und möchte gern ins Ausland, vielleicht nach Deutschland. Es ist nicht einfach für Nepalesen, ein Visum zu bekommen. Laxmis Vater kam hinzu. Es wurde klar, dass wir hier auf eine Familie gestoßen sind, die großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder legt, obwohl Dolma und ihre Schwester nie zur Schule gegangen sind. Am Anfang unserer Trekking-Tour waren wir an einer Schule vorbei gekommen. Da stand:”Marriage can wait – education cannot!”

Hier hatte es eine Familie kapiert. Auch Dolmas Tochter hatte im Ausland studiert, in London. Und Dolma hatte ihren Mann, der gerade als Guide auf einer Everest-Tour war, schon nach London, Edinburgh und nach Paris begleitet. Vielleicht können wir helfen, dass Laxmi ein Visum bekommt, und sie zu uns einladen. Dann würde Dolma eines Tages vielleicht auch nach Hamburg kommen.

Helambu-Trekking Tag 4 von Mangengoth (3285m) über den Tharepati Pass (3600m) nach Melamchigaon (2530m)

Heute Nacht haben wir zusätzlich zu unseren Schlafsäcken auch gern noch die Decken des Hostels genommen. Es war frisch hier oben. Gegen sechs  waren wir wach. Herrliche Aussicht auf die Siebentausender der Langtang-Bergkette. Da wussten wir noch nicht, was uns bevorstehen würde.

Wir starteten um 8:30 Uhr nach einem leckeren Apfelpfannkuchen und gutem tibetischem Brot. Zunächst ging es 300 Meter bergauf, über den Tharepati-Pass. Dort ein Süppchen zum Lunch und unseren geliebten Lemon Tea. Ein Mann machte uns den Ofen an, draußen ein Hagelschauer. Nach der Pause war es trocken. Es ging bergab. Nur noch bergab, stundenlang bergab, über Baumwurzeln, über Steine, über Steinstufen, steil bergab.

Oh je, würden meine Knie das durchhalten? Nach meinem Kreuzbandriss, nach der OP? Wenn Dieter nur nicht  ausrutscht, er läuft ohne Stöcke! Es ging bergab, durch den Dschungel, auf einem Baum saß ein Affe. Wieso haben eigentlich Raju und Sanjaya beim Abstieg in Turnschuhen ohne Stöcke keine Probleme? Na gut, die sind jung. Für die Helambu-Tour war mittlere Kondition vom Reiseveranstalter gefordert. Das haben wir, unserem lieben SenFi-Lehrer Jack sei dank! Das wunderbare Kniekreisen nach dem Tigersprung!

Es ging bergab. Dieter spürte zum ersten Mal im Leben seine Knie. Durch den Dschungel. Da kam die Hängebrücke, zehn Meter über ‘nem Wasserfall. Ich setzte einfach weiter den linken Stock vor, den rechten Fuß nach, den rechten Stock vor, den linken Fuß nach, nur nicht nachdenken. Geht doch! Auch Dieter nahm mutig das Hindernis.

Es fing an zu regnen, auf den letzten Metern. Nach gefühlten zehn Stunden bergab kamen wir heil und unversehrt in unserer Unterkunft an. Ein Dankesgebet zum Himmel. Wir konnten uns nach zwei Stunden Ausruhen noch bewegen. Eine Hot-Water-Bucket-Shower, zweimal Dhal Bhat zum Abendbrot bei Nepalesen in der Wohnstube. Erstaunlicherweise kochte der Mann und bediente uns, die Frau saß rauchend am Ofen, ebenso die Großeltern. Keiner konnte Englisch. Ein kleines Mädchen saß etwas schüchtern und traurig vor den ordentlich sortierten Küchenutensilien. Sobald wir fertig gegessen hatten, räumte sie das Geschirr ab. Für ein Gespräch mit den französischen Touris fehlte uns die Energie. Wir gingen um halb neun ins Bett. Lesen war nicht. Stromausfall.

 

Helambu-Trekking Tag 3 von Gul Bhanjyang (2130m) über Kutumsang (2470m) nach Mangengoth (3285m)

Heute sollte es anstrengend werden. Von Gul Bhanjyang,  2130 Meter, sollte es nach Magengoth,  auf 3285 Meter gehen. Das sind 1155 Höhenmeter. Uff, soviel hätten (und haben) wir uns in den Alpen (noch) nie zugetraut! Aber hier: Der Weg ist das Ziel, und überhaupt, wer sollte uns abholen? Es ging gleich bergauf. Obwohl wir schon über 2300 Metern waren, immer noch saftige, grüne Wiesen, gesunde Kiefern, eine nepalesische Eichenart. Vorbei an verlassenen Häusern, deren verblasste Welcome-Schilder von besseren Zeiten erzählen. Wir trafen auf ein Pärchen aus Israel. Sie war ausgerutscht und hatte sich am Fuß verletzt. Sie meinten, es würde schon wieder gehen. Und wenn nicht…? Wir betraten den Langtang- Nationalpark. Raju organisierte die Eintrittskarten und zwei Plastikcapes.

Die Stunden vergingen, immer aufwärts. Wir kamen zum Dörfchen Kutumsang, die fünffarbigen Gebetsfähnchen  kündigten es schon an. Hier ausnahmsweise mal nicht Ruinen, sondern aufgehäufte Steine für neue Häuser, ein Rohbau. Täler zu zwei Seiten, grandiose Sicht auf die Siebentausender. Es wird in den Tourismus investiert. Woher das Geld kommt, keine Ahnung. Hier wären wir gern zum Lunch oder auch für die Nacht geblieben. Es war noch zu früh.

Weiter ging es durch den Dschungel, über Steine, immer aufwärts. Es fing an zu regnen. Die Regenjacken und Plastikcapes wurden übergestreift. Es fing an zu hageln. Die Hütte, wo wir Lunchpause machen wollten, war geschlossen. Es war jemand gestorben. Wir hatten sowieso keinen Hunger, es regnete. Weiter, immer weiter aufwärts. Nach gut sieben Stunden Trekking kamen wir in unserer Hütte in Mangengoth an. Der Mann aus Katar, ursprünglich UK, war da und wäre gern über Nacht geblieben, aber sein  Guide hatte eine andere Unterkunft gebucht. Es gab einen wunderbaren Aufenthaltsraum, ein Ofen spendete wohltuende Wärme, und es waren Leinen gespannt, so dass wir unsere nassen Sachen trocknen konnten. An der einen Wand hing das bekannte fröhliche Foto des Dalai Lama. Hier waren wir richtig.

Helambu-Trekking Tag 2 von Chisapani (2215m) nach Gul Bhanjyang (2130m)

Wau, was für ein Ausblick: Sonnenaufgang in Chisapani!

 

Frühstück um sieben, um halb acht ging es weiter. Zuerst bergab, dann wieder bergauf, schmale Pfade, steinig, geröllig, teilweise noch ein bisschen nass vom gestrigen Regen. Heute wieder strahlend blauer Himmel,  ideales Wanderwetter. Vorbei an spielenden Kindern, Büffeln, Hühnern, Ziegen, bergauf und bergab, in steter Bewegung. Wir konnten die Seele baumeln lassen.

Mittagspause auf 2200 Metern Höhe, nach einem irre anstrengenden Aufstieg in praller Sonne und wieder vielen hohen Steinstufen.

Herrlicher Ausblick, nepalesisches Brot mit Honig, die tägliche Cola, dann ausruhen, trocknen, und weiter den letzten relativ angenehmen Abstieg ins Tamang-Dorf Gul Bhanjyang. Es war uns schon angekündigt worden, dass die Unterkünfte nun immer einfacher werden würden. Hier gab es kein angeschlossenes, privates Badezimmerkabuff mehr, sondern ein Stehklo – die Frauen können sich ja hinhocken – das gleichzeitig als Dusche und Waschbecken zum Zähneputzen dienen musste – man konnte sich mit dem Eimer Wasser über den Kopf gießen, “bucket shower” meinte Raju. Zum Glück waren wir mit ihm und Sanjaya heute die einzigen Gäste. Am Vortag sollten allerdings die  Zimmer ausgebucht gewesen sein. Abendessen: na klar, leckeres Dhal Bhat. Wir haben ein wenig mit Raju geklönt. Er hat noch sechs Geschwister, vier Brüder und zwei Schwestern. Sein verheirateter Bruder arbeitet in Malaysia. Rajus Traum ist es, ein Hotel in Pokhara aufzumachen. Das Lehrerstudium hat er hingeschmissen. Auch er hat als Träger angefangen, dann wurde er von einer Touristin, die ihn wohl attraktiv fand, als Guide vorgeschlagen. Die Organisation, für die er jetzt arbeitet, wohl die renommierteste ganz Nepals – wir waren zum Bezahlen unseres Mountain-Flights kurz da, sie haben ein top-modern eingerichtetes Büro in einem der vielleicht schönsten Häuser Kathmandus – legt Wert auf die Englischkenntnisse ihrer Guides und auf eine Erste-Hilfe-Ausbildung. Aber Raju meinte, dass wenn mal wirklich während eines Trekkings etwas passieren sollte, er eigentlich machtlos sei und wahrscheinlich schnell seinen Job los. Die Menschen in den nepalesischen Dörfern seien total arm, manche würden gerade mal ein Essen am Tag bekommen. Die Regierung stelle zu wenig Geld für Ausbildung zur Verfügung, die Politiker dächten nur an ihren eigenen Bauch. Wenn es mal Fortschritt gäbe, sei dies einzelnen, ausländischen Wohltätern zu verdanken, die mal als Touristen nach Nepal gekommen seien, wie seine niederländischen Freunde, und die daraufhin Hilfsprojekte initiiert hätten. Viele Kinder können nicht regelmäßig zur Schule kommen, entweder sind die Wege zu weit, oder sie würden zuhause gebraucht. Es fehle an zuverlässigen Lehrern. Junge Nepalesen gehen lieber ins Ausland zum Arbeiten, nach Dubai oder nach Katar, oder eben nach Malaysia, wie Rajus Bruder. Gegen zehn waren wir im Bett.