Purmamarca Tag 2

Nach einem köstlichen Frühstück mit frisch gepresstem Orangensaft und den üblichen Anden-Leckereien, ein paar Aufnahmen des Felsens der sieben Farben, wofür Purmamarca berühmt und ein Touristenmagnet ist, machten wir uns auf den Weg. Wir wollten nach Humahuaca, einer weiteren Indio-Kultstätte. Es ging eine gut ausgebaute Straße entlang, es war die einzige, daher verzichteten wir heute mal auf das Navi. Wir kamen immer höher, und noch höher, und noch höher. In endlosen Serpentinien führte die Straße diese Farbpalette von Bergen hinauf. Dieter war total euphorisch, an jeder Ecke musste er anhalten zum Fotografieren.

Sogar die Luft wurde merklich dünner. Nach etwa 20 Kilometern stellten wir fest, dass wir gar nicht auf der Straße nach Humahuaca waren, sondern die Passstraße zu den Salinen erwischt hatten, auf die wir ja gestern zu unserem Hotel hatten abbiegen müssen. So was! Da wollten wir eigentlich erst morgen hin. Na denn! Wir fuhren weiter. Diese Landschaft war einfach unglaublich. Vor 600 Millionen Jahren sollen riesige Erdmassen mit solch gewaltiger Kraft zusammengequetscht worden sein, dass diese spektakulären Erhebungen entstanden sind. Ich fand es immer wieder erstaunlich, dass sich Menschen bis hierher vorgewagt haben und tatsächlich bis heute hier leben. Am ersten Kiosk, an dem wir vorbeikamen, musste ich einkaufen gehen. Ein Indio mit rotem Hut verkaufte mir mit einem strahlenden Lächeln zwei Flaschen Cola und Agua minerale. Als ich mit meinem dürftigen Spanisch meinte, dass es hier wohl ganz schön einsam sei, lachte er noch einmal und meinte: “Si, señorita “. Da musste ich auch lachen. Er machte einen wunderbar ausgeglichenen Eindruck auf mich. Die wenigen Menschen, die er um sich hat, schienen ihm völlig zu genügen. Wir fuhren durch die Cuesta de Lipán über den Potrerillo-Pass und bekamen endlich die Bestätigung: Wir befanden uns auf 4170 Metern Höhe. Und es war trotzdem warm, an die 26 Grad. Die Sonne knallte. Drei Einheimische boten Ziegenkäse und ihre Handwerksarbeiten an, und erklärten freundlich und unaufdringlich deren Bedeutungen. Die Leute leben auch heute noch davon, dass Touristen ihre Arbeit schätzen und ihnen etwas abkaufen.

Dann schließlich ging es leicht bergab, und plötzlich tauchte in der Ferne ein flimmernder weißer Streifen auf, und davor etwas Blaues. War das Wasser? Nein. Eine Fatamorgana? Wir fuhren eine kilometerlange Hochebene auf  asphaltierter Straße entlang, auf die Salinas Grandes zu und hielten: mitten im Salz. Ja, es war auf der Höhe von 3350 Metern über NN kein Schnee, es war wirklich Meersalz.

Bei den Erdbewegungen vor 600 Millionen Jahren war wohl auch Pazifikwasser hochgedrückt worden und in Millionen von Jahren verdunstet. Die Salinen hier, wie auch die weiter im Westen, in Chile die Atacama-Salzwüste, sollen so entstanden sein. Flamingos gab es hier allerdings nicht zu sehen.

Ein Herr mit eindeutig indigenen Zügen sprach uns an, wo wir denn herkämen. Als er Alemania hörte, erzählte er, dass seine Großeltern 1944 aus Deutschland ausgewandert seien – wir vermuten vor den Nazis geflohen – und seine Eltern – er zeigte auf die weiten Berge hinter uns – dort lebten. Er hätte auch noch einen Verwandten in Deutschland, aber war selbst noch nie dort. Unser Spanisch war leider mal wieder zu schlecht für tiefgründigere Gespräche, aber es war nett, mit ihm gesprochen zu haben. Es war gerade mal 12 Uhr mittags, wir machten eine kleine Picknickpause im Salz und fuhren zurück. Wollten noch in das nächste Dorf, Tilcará.

Acht Kilometer davor, bei dem Dorf Maimará, kam der Verkehr zum Erliegen. Wir befürchteten schon, dass es einen Unfall gegeben hätte. Aber nein: Die Dorfbewohner demonstrierten. Sie sperrten mit Fahnen und Feuer die Hauptstraße und einzige Nord-Südverbindung ab. Sie protestierten gegen eine geplante Straße, die durch ihr Dorf führen sollte. Vor uns zahlreiche Touristenbusse. Polizeiwagen fuhren an uns vorbei nach vorn. Nichts rührte sich. Auch im Nordwesten entpuppten sich die Argentinier als äußerst politisches Völkchen, das mal kurz an einem Dienstag Nachmittag den Verkehr zum Stoppen bringen kann. Nach über einer Stunde Ausharrens in glühender Nachmittagshitze – immerhin hatten wir eine Klimaanlage im Auto – ging es dann doch weiter. Man hatte sich gewaltlos geeinigt, ließ Motorräder, Autos und Busse einspurig passieren.Wir schauten uns das Indio-Dorf Tilcará an. Es war größer und wie uns schien authentischer als Purmamarca, das einzig durch seinen siebenfarbigen Felsen punktet. Wir fanden ein Café, das gleichzeitig Bücherei, Schallplattenladen und Kneipe war, ein absolutes Juwel hier in Tilcará – doch schon in Buenos Aires konnten wir – anders als bei uns in Deutschland – noch Gaststätten dieser Art finden. Auf dem Rückweg wurde immer noch gestreikt, die Polizei regelte den Verkehr. Abends sind wir wieder in das nette Musiklokal von gestern gegangen. Heute spielte eine andere Gruppe.Sie hatten als große Attraktion sogar ein Andenhorn dabei.

Dass der Musiker beim Rundgang durchs Restaurant mit dem vier Meter langen Teil nicht alle Lampen und Bilder und Teppiche heruntergerissen hat, grenzte für mich an ein Wunder. Wir haben ihnen ihre CD als Erinnerung abgekauft.