Río de Janeiro Tag 2

Auf unserer Dachterrasse habe ich endlich mal wieder Yoga gemacht. Über mir kreisten große, schlanke Fregattenvögel, links eine Hochhausskyline mit einem faszinierenden Bau, in dem in der Mitte eine Aussparung in Form eines Kreuzes war, das sich nach oben öffnet – Auferstehung aus dem Glaspalast, wau! – rechts unten die Bucht von Guanabara, und davor konnte ich die ersten Flieger vom Flughafen Santos Dumont abheben sehen.

Es war schon morgens um sieben feucht und heiß. Aber es gab eine Dusche und einen kleinen Pool. Beim Frühstück haben wir die beiden Besitzer, Carmen und Fernando, kennengelernt. Ihm war irgendwann sein Bankerdasein zu langweilig geworden, sie konnten das Haus kaufen, mit der Pension starten, und er kann inzwischen als Schauspieler, Maler und Schriftsteller sein Leben bereichern. Beide machten einen zufriedenen Eindruck. Außerdem saßen zwei junge deutsche Frauen in Kimis Alter, Marlene und Daniela, auch aus Berlin mit am Frühstückstisch. Chiara, die für die Verwaltung angestellte Mitarbeiterin der Pension, hatte Geburtstag, und als alle zusammen waren, haben wir ihr ein Ständchen gebracht. Dann sind wir ins historische Zentrum von Río gefahren. Runtergelaufen zur Métrostation “Glória” und dann eine Station. War kühl in der Métro, aber angenehm leer und bequem. Wir landeten auf der Praça Floriano. Aber was war das? Streikte die Müllabfuhr? Der Platz war völlig verdreckt, so als ob gestern hier eine Demo stattgefunden hätte. Flugblätter waren überall verstreut. Und aus all dem Siff ragte protzig und wie zum Trotz ein edel pompöses Gebäude hervor, das Theatro Municipal, ein wahrhafter Prachtbau, der neoklassizistisch im Stil der Pariser Oper gebaut worden war. Oben sind unter anderen die Namen Goethe, Wagner und Verdi verewigt. Río hatte an diesem Samstag Vormittag im Zentrum nicht viel zu bieten.

Ein bisschen Verkaufsbuden in engen Gassen, na gut, ein paar nette Boutiquen, okay. Doch dann fiel plötzlich schon von Weitem ein merkwürdiger, runder Betonklotz auf, der sich nach oben hin konisch zu einem stumpfen Kegel verjüngte. Er sah aus wie ein riesiger Bienenstock mit seinen tausend Einflugslöchern, durch die wohl Licht und Luft nach innen gelangen konnten. Daneben stand ein Glockenturm mit einem Kreuz. Eine Kirche? Wo sollten denn da die Gläubigen sitzen? Und der Priester? Die beiden Bauwerke gehörten zusammen. Es handelte sich um die neue – und wie wir erfuhren – von den Cariocas nicht sehr geliebte Hauptkirche von Río de Janeiro, die Catedral Metropolitana de São Sebastião. Sie wurde von dem Architekten Edgar Fonseca konstruiert, der sich von alten, pyramidenförmigen Maya-Tempeln zu dieser Kirche hatte inspirieren lassen. Innen gab es jeweils in den vier Himmelsrichtungen hohe Glasfenster mit religiösen Motiven, und von der fast hundert Meter hohen Decke baumelte in der Mitte des gewaltigen Rundbaus ein Jesus am Kreuz herab. Ob er zu Ostern zur Auferstehung wohl hochgezogen wird zu den kreuzförmigen Oberlichtern? So hässlich das Bauwerk auch zunächst von außen erschien, je länger man sich innen aufhielt, desto mehr wurde man von der Ungewöhnlichkeit und Größe dieses modernen Gotteshauses in den Bann gezogen. Immerhin gab es Sitzplätze für 5000 Gläubige – nein, ich habe sie nicht nachgezählt! – stehend sollen sogar 20000 Menschen Platz haben. Ob es hier wohl zu Weihnachten oder Ostern mal brechend voll ist?

Wir schauten uns noch Ríos ältestes Café an, verzichteten allerdings darauf, uns dort nieder zu lassen: Die Warteschlange war zu lang.

An der presbyterianischen Kirche luden ein paar Figuren zu Späßchen ein, und dann wollten wir endlich an den Strand.

Diesmal nahmen wir den Bus. Auf nach Ipanema! Ab und zu tauchten der Cristo und der Zuckerhut hinter Wolken auf, es waren die ganze Zeit gefühlte 35 Grad. Endlich, ab in die Wellen. Boh! Das tat gut! Am Strand kamen alle paar Minuten fliegende Händler mit Schals, mit Caipirinhas, mit Wasser, mit Bikinis, mit Sandwiches, mit Shrimps – meine Güte – mit allem und jenem vorbei, die laut und selbstverständlich ihre Waren anpriesen. Kimi kaufte sich einen Becher Açaí für zehn Real, hier so eine Art gefrorenes Beeren-Bananen-Gemisch. Anfängerfehler. Sie hatte dem freundlichen, älteren Verkäufer zwei Drittel zu viel bezahlt.

Als wir Hunger bekamen, sind wir zur Copacabana geschlendert und haben den Nachmittag damit verbracht, vom Fort-Restaurant aus den vielen Stehpaddlern zuzuschauen, die auf dem Wasser unterwegs waren. Hier, an der Copacabana, gab es keine Wellen, nur seichtes Atlantikwasser und breiten, schier endlos langen Strand.

Gegen 19 Uhr wurde die Straßenbeleuchtung eingeschaltet und das Abendleben eingeläutet. An jeder Strandbar gab es Live-Musik. Es wurde getanzt und gelacht. Wir bestellten uns die obligatorischen Caipis – das hatte schon was:

Bei fast 30 Grad, abends, im März, in Río, an der Copacabana sitzen und relaxen.