Olinda Tag 2

Beim Frühstück haben wir Ingrid kennengelernt, eine Deutsch-Brasilianerin in meinem Alter, die gerade ihre Familie in Brasilien besucht hatte, und noch ein paar Tage in Olinda verbringen wollte, bevor sie nach Berlin zurückfliegt. Sie war zweisprachig aufgewachsen und gern bereit, für uns in der Pension ein wenig zu dolmetschen. Alle sprechen hier nur Portugiesisch. Nach dem Frühstück machten wir uns auf zur Ilha Itamaracá, etwa 40 Kilometer nördlich von Olinda, zu der man über eine Brücke fährt. Wir wollten endlich zu einem von Brasiliens Traumstränden, nachdem es gestern schon nichts mit dem Baden geworden war. Wir ließen uns mit einem Boot zur winzigen gegenüberliegenden Insel, Coroa de Avião – eher eine Sandbank als eine Insel mit Strandbars und Sonnenstühlen – übersetzen. Und das war dann auch reichlich traumhaft schön. Wir haben dort den ganzen Mittag und Nachmittag verbracht, gebadet, gefaulenzt, sind um die Insel gelaufen, haben Krabben gegessen, Fruchtsäfte getrunken, auf Liegestühlen im Meer gehockt – ein brasilianischer Strandtag vom Feinsten.


Klar haben wir uns auch noch kurz das Fort Orange auf Itamaracá angeschaut, das 1631 von den Holländern, die die Insel erobert hatten, erbaut wurde und 23 Jahre später von den Portugiesen neu errichtet wurde. Gegen 18 Uhr machten wir uns auf den Rückweg.

Es wurde dunkel und vor Olinda war ein höllischer Verkehr auf den Straßen. Es war total schwierig, unseren Ortseingang zu finden. Dauernd überholten uns rechts und links wahnsinnige Motorradfahrer und Spurenlinien auf den Straßen gab es sowieso nicht. Wir haben uns verfahren, mussten zurück auf die Hauptstraße, links abzubiegen schien schier unmöglich. Es blieb wieder nichts anderes übrig, als ein verbotener U-Turn. Diesmal hatte es allerdings kein Polizist gesehen. Als wir gegen halb acht endlich in unserer mit Natodraht gesicherten Pension angekommen waren, war uns klar: Fünf Nächte würden wir hier nicht bleiben. Die Ziele, die wir weiter nördlich anschauen wollten, waren einfach zu weit weg, als dass man jeden Tag nach Olinda zurückkehren könnte. Wir buchten eine neue Pension, 200 Kilometer weiter nördlich, in Baia da Traição, direkt am Strand. Zum Abendessen gingen wir zu Fuß in Olindas mir schon im Flugzeug von meinem brasilianischen Sitznachbarn als erstklassig empfohlenes Restaurant mit Terrasse und Blick auf das erleuchtete Recife. Es gab in einem Kürbis servierten Fischeintopf mit Langustenfleisch.

Von Río de Janeiro nach Olinda Tag 1

Um zehn Minuten vor sechs – ja, morgens – standen wir beim Sonnenaufgang zum letzten Mal auf unserer Dachterrasse. Der passende Ort, sich hier von hoch oben von der – nach Hamburg – vielleicht schönsten Stadt der Welt zu verabschieden. Pünktlich stand das Taxi vor der Tür, und wir düsten zum internationalen Flughafen. Das war etwa dreimal so weit wie bis zum Dumont-Airport, wo wir angekommen waren. Die Straßen waren noch relativ leer, erst als wir ein Stück raus aus dem Zentrum waren, staute sich auf der Gegenfahrbahn der Berufsverkehr. Alles lief optimal, kein vergessenes Smartphone, nur der Kaffee auf dem Flughafen war eine Katastrophe. Wir lechzten nach einem guten Capuchino und bekamen: eine völlig übersüßte Brühe. Auch der zweite Versuch, einen ordentlichen Kaffee zu bekommen, scheiterte. Im Flugzeug hatten sie als Beigabe nur ein Pulvermilch-Zucker-Gemisch. Gruselig! In Recife – etwa 2000 Kilometer weiter nördlich – wurden wir von der Autovermietung abgeholt und durch abenteuerliche Slumpisten zur Mietstation gefahren. Diesmal bekamen wir einen GOL, ähnlich wie unser Polo. Wir fuhren etwa 15 Kilometer weiter nach Norden, nach Olinda, ein altes Städtchen, deren zusammenhängende, koloniale Bauten zum UNESCO- Kulturerbe gehören.

Wie schon in Río ging es auch hier eine steile Pflastersteinstraße mit vielen Buckeln hoch, und unsere Pension lag an einem engen Sandweg, versteckt hinter einer Mauer mit Natodraht. War das hier etwa so gefährlich? Wir klingelten. Ja, wir waren richtig. Man erwartete uns. Hinter der Mauer verbarg sich dann – wie häufig in Brasilien – ein kleines Paradies. Es war extrem heiß, ohne Klimaanlage im Auto wären wir geschmolzen. Der kleine Ventilator in unserem Zimmer, würde der nachts ausreichen? Nach einer Siesta machten wir uns auf den ersten Stadtrundgang. Die Hausangestellte meinte, dass die Gegend sicher sei. Wir wollten unbedingt baden, also zum Strand. Vorbei an vielen Kirchen – es sollen an die zwanzig sein -, Cafés, Restaurants, Bars und den schon erwähnten Kolonialbauten kamen wir ans Meer. Schnell wurde uns klar, dass hier nicht gut Baden ist: der Strand war ungepflegt und dreckig, viel zu viele Katzen lebten hier, ein paar Fischer standen im Wasser. Es hieß, es sollte nach Norden hin, nach etwa zwei Kilometern, besser werden. Also liefen wir nach Norden. Im ersten Restaurant am Meer kehrten wir ein, relaxten bei kühlem Tonic Water und Maracuja-Saft und schauten über den Ozean nach Afrika hinüber. Als die Sonne unterging, hätten wir dort auch noch gespeist, doch alles, was wir gern gegessen hätten, war aus. Wir schlenderten weiter, immer am Meer entlang. Jogger kamen uns entgegen und überholten uns, immer mehr. Ganz Olinda schien am Abend Sport zu treiben, am Strand oder in Fitnessclubs auf der anderen Straßenseite. Es wehte inzwischen ein angenehmer Wind, also genau die richtige Zeit für körperliche Betätigung. Wir kamen an lauter kleinen, von Steinen eingerahmten Buchten vorbei – das machte den Strand aber nicht sauberer, und die Restaurants gegenüber waren alle noch leer. Irgendwann waren wir schon drei Kilometer gelaufen, hatten auch einen breiteren, größeren Strand passiert – ob er sauber war, konnten wir nicht mehr erkennen – statt Restaurants kamen moderne Hochhäuser – Apartmenthäuser? Wohnhäuser? – links, eine Mauer und Felsen rechts, es würde kein Restaurant mehr geben, sagte man uns. Wir kehrten also um, beschleunigten unser Schritttempo zu einem Walkingtempo, zwei Kilometer zurück. Kehrten in einem Lokal mit regionaler Küche ein und aßen einen super leckeren Fischeintopf. Zurück nahmen wir ein Taxi.

Río de Janeiro Tag 4

Heute mussten wir endlich die beiden Highlights von Río anschauen: Die Christus-Statue auf dem Corcovado und den Zuckerhut. Wir nahmen einen Touri-Van zum Corcovado hoch und hatten dadurch die Gelegenheit, an verschiedenen Aussichtspunkten Fotos zu schießen. Hätten wir die Zahnradbahn genommen, wären wir nur durch Wald gefahren. Als wir gerade dachten, dass wir oben angekommen seien, wurden wir eines Besseren belehrt: Wir mussten noch einmal Tickets kaufen für das letzte Stück des Weges – so was Bescheuertes! – und uns noch einmal in die Warteschlange stellen. Wir dachten schon, dass wir falsch wären, doch auch die anderen Touris meinten, das sei richtig.

Wir lernten bei dieser Gelegenheit eine brasilianische Familie kennen, die sich zu Celias 60. Geburtstag aus Santa Cruz do Sul aufgemacht hatte, für eine Woche Río zu besuchen. Und das Überraschende war: Sie konnten alle Deutsch sprechen, ein etwas merkwürdiges, veraltetes zwar – zu Flugzeug sagten sie zum Beispiel Luftschiff – aber wir konnten uns gut mit ihnen verständigen. Celias Großvater war einst aus Deutschland ausgewandert, und hatte gemeinsam mit vielen anderen Einwanderern – hauptsächlich aus dem Hunsrück -Santa Cruz do Sul gegründet. Es gäbe eine evangelische Kirche dort, es werde noch viel Deutsch gesprochen – auch Enkelkind Milini sollte es demnächst lernen – und sogar das Oktoberfest würde bei ihnen gefeiert werden, erzählten Celia und ihr Mann Silvio stolz. Alle, auch ihr Sohn Patric mit Ehefrau Vivian würden sich sehr freuen, wenn wir sie dort einmal besuchen kämen. Gern würden sie auch mal nach Deutschland kommen und sich das Land ihrer Vorfahren ansehen, doch bisher reichte dazu noch nie das Geld. Wir haben Adressen ausgetauscht.

Wer weiß, was sich einmal daraus ergibt? Auch ein junges Pärchen aus New York City stand in der Schlange. Auch sie würden gern einmal Deutschland besuchen. Sie studierte Nursery – in den USA ein angesehener Studiengang mit Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten – und er war Anwaltsgehilfe. So verging die Zeit des Wartens im Nu. Beim Cristo selbst drängelten sich die Touris auf engem Raum, und die Sicht war diesig. Trotzdem war die 30 Meter hohe Statue beeindruckend, wie sie von hoch oben auf diese am Meer gelegene Stadt mit ihren Traumstränden, den Segelbooten, dem Zuckerhut, den Fußballstadien, den Hochhäusern, den Hügeln und Felsen blickt und schützend und segnend ihre Arme darüber ausbreitet. Es war feuchte 37 Grad warm, wir liefen förmlich aus. Und wir wollten noch zum Zuckerhut. Wir nahmen einen Bus. Die Kassiererin deutete mit den Fingern eine Zwei an. Wir wussten bis zum Schluss nicht, was das bedeuten sollte. Fakt war, dass wir nach dem Aussteigen noch mindestens eine dreiviertel Stunde zu Fuß laufen mussten, bis wir an der Seilbahn zum Zuckerhut angekommen waren. Meinte sie zwei Kilometer? Es waren gefühlte vier, bei brütender Hitze. Als wir in die Gondel stiegen, winkten uns Marlene und Daniela, die beiden deutschen Frauen aus unserer Pension, zu. Sie waren gerade heruntergekommen und begeistert von dem Trip. Der Zuckerhut bot in der Tat für Besucher mehr Annehmlichkeiten als der Corcovado. Wir legten uns in Holz-Liegestühle und genossen die schöne Aussicht auf die Guanabara Bucht, auf den Hafen und auf die Copacabana. Hier oben war das Gedrängel der Touris nicht so groß wie vorher beim Cristo, es verteilte sich alles besser.

Bei der Talfahrt gab es noch einmal ein überraschendes Wiedersehen: die Eine der beiden deutschen Frauen, die wir bei den Iguaçu-Wasserfällen getroffen hatten, verbrachte hier ihren letzten Urlaubstag. Witzig!

Dann machten wir uns auf an die Copacabana. Letzter Tag in Río. Noch einmal baden, noch einmal flanieren, noch ein Caipi – am Himmel begann es zu blitzen. Es fing an zu regnen. Ein Taxi brachte uns sicher nach Santa Teresa zurück. Morgen würden wir um sechs zum Flughafen müssen. Río de Janeiro war toll!

Río de Janeiro Tag 3

Wieder war Sonntag. Dieter und ich sind jetzt genau seit fünf Wochen in Südamerika. Und schon jetzt ist klar: wir bräuchten mindestens doppelt so lange, um alles hier genauso genießen zu können, wie auf unserer Indienreise. Argentinien war klasse, abwechslungsreich und einzigartig. Die Wasserfälle von Iguaçu auf beiden Seiten großartig, und für Brasilien bräuchte man viel mehr Zeit, um sich einfühlen zu können. Aber schön, dass wir wenigstens vier Nächte in Río gebucht haben. Für heute waren sowohl in São Paulo als auch hier in Río große Demonstrationen angekündigt, von denen uns schon Rodrigo erzählt hatte. Immer wieder geht es in Brasilien um Korruptionsskandale, in die zahlreiche Politiker verwickelt sein sollen, auch Präsidentin Roussef von der Arbeiterpartei. Und das in diesem riesigen Land, das wirtschaftlich am Boden liegt, in dem es zum Himmel schreiende Armut und Ungerechtigkeit gibt, wo ganze Familien obdachlos auf der Straße schlafen… Eine Lösung ist nicht in Sicht. Friedliche Demonstrationen müssen wohl als ein winziges gutes Zeichen gedeutet werden, ein neuer Militärputsch schwebt als ständig drohende Gefahr in die falsche Richtung über dem Land. Wir wollten das Zentrum auf jeden Fall meiden. Wir nahmen einen Bus, den Carmen uns empfohlen hatte, um zum Fähranleger zur Insel Paqueta zu kommen. Wir waren ganz stolz, dass wir so schnell den richtigen erwischt hatten, knatterten in dem ollen Modell, in dem man sich nur schreiend unterhalten konnte, weil die Fenster so klapperten, die Pflastersteinstraße von Santa Teresa hinunter, und dann hielt er plötzlich an. Alle stiegen aus. Wir blieben sitzen. Wir waren doch noch gar nicht da! Der Busfahrer stieg aus. Kimjana lief hinterher und versuchte es auf Spanisch. Der verstand uns nicht. Anscheinend waren wegen der Demo Straßen gesperrt. Na gut! Wir wanderten zu Fuß weiter. Dieter immer mit seinem Navi in der Hand, aber zum Glück erkannten wir schon nach kurzem den Weg von gestern wieder. Die Straßen waren menschenleer und vermüllt. Wie kann man den ganzen Unrat bloß so lange liegenlassen? Das war ja fast schlimmer als in Indien! Dabei waren wir doch in der Touristenhochburg Río de Janeiro! Wir kauften drei Tickets für die Fähre nach Paqueta, und um halb zwölf legten wir ab.

Wir fuhren quer durch die ganze Bucht von Guanabara, unter der 13 Kilometer langen Ponte de Presidente Costa e Silva durch, die Río mit der Stadt Niterói im Osten verbindet – selbstverständlich sorgte an Bord eine Sambagruppe für gute Stimmung – und gelangten nach eineinhalb Stunden zur autofreien Insel Paqueta. Dort mieteten wir uns drei Fahrräder – es waren wie schon in Buenos Aires schlecht gewartete Schrottmühlen, meines gab zudem bei jeder Umdrehung einen nervtötenden Quietschton ab – aber wir kamen damit gut voran. Wir passierten mehrere kleine Strände, die uns allerdings nicht wirklich umhauten – mal schwamm eine Plastikflasche im Meer, mal war der Sandstrand nicht fein genug. Als wir an den Hauptstrand kamen, waren wir so durchgeschwitzt, dass wir unter einem Baum unsere Fahrräder abstellten und endlich schwimmen gingen. Eine richtige Abkühlung spürte man allerdings nur in den Zehen, wenn man mit den Füßen etwas tiefer kam. Ansonsten war das Wasser eher eine warme Brühe. Mir gefiel der Strand der Copacabana oder der von Ipanema, auch wenn er voller ist, besser. Hier auf Paqueta verbrachten zumeist – so schien es uns – Brasilianer ihren Sonntag. Sie hockten in Familien oder Gruppen zusammen, auch viele ältere Männer und Frauen waren im Wasser, ihre Bierdosen stapelten sich derweil am Strand, oder Pärchen sah man, die damit beschäftigt waren, von sich Selfies zu schießen oder einfach rumzuknutschen. Wir machten Siesta.

Gegen 15 Uhr trieb uns ein leichter Hunger wieder auf die Drahtesel, und wir fuhren zum Yachtclub von Paqueta, wo man essen konnte. Wir speisten ein Risoto de Bacalhau, ein typisch portugiesisch-brasilianisches Stockfischgericht – wird sicher nicht unser Lieblingsessen – und waren danach gut abgesättigt.

Um halb sechs ging es mit der Fähre zurück. Es war schön anzusehen, wie in Río die Lichter angingen, in der Ferne der Cristo grün auf dem Corcovado leuchtete, und wieder fuhren wir unter der Río-Niterói-Brücke durch, deren Straßenlaternen nun wie eine endlose Girlande über ihr zu schweben schienen.

Nach der besinnlichen Schiffsfahrt waren wir noch unternehmungslustig. Es sollte in der Nähe des Maracana-Stadions die Feira Nordestina stattfinden, ein Markt auf dem jeden Sonntag auf zwei Bühnen Live-Musik geboten wird, und wo sich vor allem die Migranten aus dem Nordosten Brasiliens treffen. Wir fuhren Metró und Taxi und schafften es, bis halb acht dort zu sein. Es war wirklich ein Spektakel. Überall gab es Musik, überall wurde getanzt, und das für uns Erstaunlichste: Es tanzten nicht nur junge Leute, sondern mindestens genauso viele ältere mit verzückten Gesichtern, engstem Körperkontakt und faszinierenden Hüftschwüngen zur Forró-Musik.

Um 21 Uhr schlossen die Markt- und Verkaufsstände, die Musik ging weiter. Wie lange, das wissen wir nicht. Wir nahmen uns ein Taxi und ließen den Tag auf unserer Dachterrasse hoch über der Bucht von Guanabara ausklingen.

Río de Janeiro Tag 2

Auf unserer Dachterrasse habe ich endlich mal wieder Yoga gemacht. Über mir kreisten große, schlanke Fregattenvögel, links eine Hochhausskyline mit einem faszinierenden Bau, in dem in der Mitte eine Aussparung in Form eines Kreuzes war, das sich nach oben öffnet – Auferstehung aus dem Glaspalast, wau! – rechts unten die Bucht von Guanabara, und davor konnte ich die ersten Flieger vom Flughafen Santos Dumont abheben sehen.

Es war schon morgens um sieben feucht und heiß. Aber es gab eine Dusche und einen kleinen Pool. Beim Frühstück haben wir die beiden Besitzer, Carmen und Fernando, kennengelernt. Ihm war irgendwann sein Bankerdasein zu langweilig geworden, sie konnten das Haus kaufen, mit der Pension starten, und er kann inzwischen als Schauspieler, Maler und Schriftsteller sein Leben bereichern. Beide machten einen zufriedenen Eindruck. Außerdem saßen zwei junge deutsche Frauen in Kimis Alter, Marlene und Daniela, auch aus Berlin mit am Frühstückstisch. Chiara, die für die Verwaltung angestellte Mitarbeiterin der Pension, hatte Geburtstag, und als alle zusammen waren, haben wir ihr ein Ständchen gebracht. Dann sind wir ins historische Zentrum von Río gefahren. Runtergelaufen zur Métrostation “Glória” und dann eine Station. War kühl in der Métro, aber angenehm leer und bequem. Wir landeten auf der Praça Floriano. Aber was war das? Streikte die Müllabfuhr? Der Platz war völlig verdreckt, so als ob gestern hier eine Demo stattgefunden hätte. Flugblätter waren überall verstreut. Und aus all dem Siff ragte protzig und wie zum Trotz ein edel pompöses Gebäude hervor, das Theatro Municipal, ein wahrhafter Prachtbau, der neoklassizistisch im Stil der Pariser Oper gebaut worden war. Oben sind unter anderen die Namen Goethe, Wagner und Verdi verewigt. Río hatte an diesem Samstag Vormittag im Zentrum nicht viel zu bieten.

Ein bisschen Verkaufsbuden in engen Gassen, na gut, ein paar nette Boutiquen, okay. Doch dann fiel plötzlich schon von Weitem ein merkwürdiger, runder Betonklotz auf, der sich nach oben hin konisch zu einem stumpfen Kegel verjüngte. Er sah aus wie ein riesiger Bienenstock mit seinen tausend Einflugslöchern, durch die wohl Licht und Luft nach innen gelangen konnten. Daneben stand ein Glockenturm mit einem Kreuz. Eine Kirche? Wo sollten denn da die Gläubigen sitzen? Und der Priester? Die beiden Bauwerke gehörten zusammen. Es handelte sich um die neue – und wie wir erfuhren – von den Cariocas nicht sehr geliebte Hauptkirche von Río de Janeiro, die Catedral Metropolitana de São Sebastião. Sie wurde von dem Architekten Edgar Fonseca konstruiert, der sich von alten, pyramidenförmigen Maya-Tempeln zu dieser Kirche hatte inspirieren lassen. Innen gab es jeweils in den vier Himmelsrichtungen hohe Glasfenster mit religiösen Motiven, und von der fast hundert Meter hohen Decke baumelte in der Mitte des gewaltigen Rundbaus ein Jesus am Kreuz herab. Ob er zu Ostern zur Auferstehung wohl hochgezogen wird zu den kreuzförmigen Oberlichtern? So hässlich das Bauwerk auch zunächst von außen erschien, je länger man sich innen aufhielt, desto mehr wurde man von der Ungewöhnlichkeit und Größe dieses modernen Gotteshauses in den Bann gezogen. Immerhin gab es Sitzplätze für 5000 Gläubige – nein, ich habe sie nicht nachgezählt! – stehend sollen sogar 20000 Menschen Platz haben. Ob es hier wohl zu Weihnachten oder Ostern mal brechend voll ist?

Wir schauten uns noch Ríos ältestes Café an, verzichteten allerdings darauf, uns dort nieder zu lassen: Die Warteschlange war zu lang.

An der presbyterianischen Kirche luden ein paar Figuren zu Späßchen ein, und dann wollten wir endlich an den Strand.

Diesmal nahmen wir den Bus. Auf nach Ipanema! Ab und zu tauchten der Cristo und der Zuckerhut hinter Wolken auf, es waren die ganze Zeit gefühlte 35 Grad. Endlich, ab in die Wellen. Boh! Das tat gut! Am Strand kamen alle paar Minuten fliegende Händler mit Schals, mit Caipirinhas, mit Wasser, mit Bikinis, mit Sandwiches, mit Shrimps – meine Güte – mit allem und jenem vorbei, die laut und selbstverständlich ihre Waren anpriesen. Kimi kaufte sich einen Becher Açaí für zehn Real, hier so eine Art gefrorenes Beeren-Bananen-Gemisch. Anfängerfehler. Sie hatte dem freundlichen, älteren Verkäufer zwei Drittel zu viel bezahlt.

Als wir Hunger bekamen, sind wir zur Copacabana geschlendert und haben den Nachmittag damit verbracht, vom Fort-Restaurant aus den vielen Stehpaddlern zuzuschauen, die auf dem Wasser unterwegs waren. Hier, an der Copacabana, gab es keine Wellen, nur seichtes Atlantikwasser und breiten, schier endlos langen Strand.

Gegen 19 Uhr wurde die Straßenbeleuchtung eingeschaltet und das Abendleben eingeläutet. An jeder Strandbar gab es Live-Musik. Es wurde getanzt und gelacht. Wir bestellten uns die obligatorischen Caipis – das hatte schon was:

Bei fast 30 Grad, abends, im März, in Río, an der Copacabana sitzen und relaxen.