Toronto Tag 6 / Montréal Tag 1

29.7.2017 Toronto Tag 6 / Montréal Tag 1
Letzter Tag in Toronto. Wir genießen ein letztes, exzellentes Frühstück von Michelle mit John, Melina und Gino, lernen noch die neu eingetroffene Familie aus Ottawa kennen, die uns von Montréal vorschwärmt, weil sie dort lange gelebt haben, und packen unsere Sachen zusammen. Dann noch einmal Toronto downtown. Um 11 Uhr sind wir ohne Schlangestehen mit unseren Online-Tickets ins Aquarium gekommen und spektakulär unter Haien und sonstigen Meerungeheuern hindurchgelaufen- und gekrabbelt, ja, auch in unserem fortgeschrittenen Alter haben wir uns eine Gaudi draus gemacht.

Dann ein letztes Mal runter zum Ontariosee, im “Goodman” essen, das fröhliche Hafentreiben beobachten und Tschüss zu den Wolkenkratzern sagen.

2017-07-29_kanada-18

Wir fahren Kia Soul

Um Punkt 15 Uhr steht ein Taxi vor der Tür und bringt uns zum Flughafen.
Wir landen zum zweiten Mal in Montréal. Diesmal scheint die Sonne, obwohl es schon abends ist. Wir brauchen fast eine halbe Stunde, um zu unserer Gepäckausgabe zu kommen. Dann holen wir unser Mietauto. Weil wir eine zusätzliche Versicherung abschließen, bekommen wir ein kostenloses Upgrade bei der Autokategorie. Statt eines Hyundais dürfen wir einen nagelneuen, blauen Kia Soul fahren. Supi! Wir werden also keine Probleme haben, unser Gepäck zu verstauen, auch wenn Marcel kommt.

Mein Navi funktioniert, und Dieter schafft es mal wieder meisterhaft, mit einem neuen Wagen durch eine unbekannte Stadt zu fahren und tatsächlich unbeschadet bei unserem B&B anzukommen. Es liegt in einer bezaubernden Wohnstraße, keine Wolkenkratzer weit und breit, Leute sitzen gemütlich vor ihren Häusern und genießen den warmen Sommerabend. Einen kostenlosen Parkplatz finden wir auch, direkt vor der Tür. Unser Gastgeber, Ken, hat schon auf uns gewartet, gibt uns schnell ein paar Restaurant-Tips, und wir gehen trotz fortgeschrittener Stunde noch gegen halb elf Gemüsetaschen und Couscous bei einem Algerier um die Ecke essen. Danach fallen wir todmüde ins Bett.

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Toronto Tag 5

28.7.2017 Toronto Tag 5
Heute geht es zu den Niagara-Fällen.

2017-07-28_kanada

Nach Weinprobe

Um 8:15 Uhr hält ein kleiner Bus direkt vor unserer Pension. Fahrer ist ein Mister Scott, dem eine fette Wampe über die Hose hängt. Nachdem etwa 20 Touris eingesammelt sind, fordert Scott alle energisch auf, zu sagen, aus welchem Land sie kommen. Sein militärisch distanzloser Ton behagt mir gar nicht. Dennoch, alle beugen sich dem Befehl dieses Guides und antworten brav. Immerhin wissen wir nun, dass wir Mexikaner, Franzosen, eine iranische Familie, Kanadier, US-Amerikaner und Italiener dabei haben, wir sind die einzigen Deutschen. Scott redet die ganze Zeit, er erzählt, er lacht, ab und zu singt er auch – seine Stimme ist nicht schlecht, das muss ich ihm lassen. Wir fahren durchs Gayviertel.Überall ist der bunte Regenbogen zu sehen, sogar an den Bushaltestellen. Scott versucht unsere Begeisterung für ein Gewinnspiel zu wecken. Er werde im Laufe der Fahrt drei Fragen stellen. Wer sie richtig beantwortet, werde bei der Weinprobe, die zum Programm gehört, einen von ihm persönlich spendierten Preis bekommen. Wahnsinn! Ich versuche angestrengt, nicht nur negativ über diesen Menschen zu denken. Er macht hier seinen Job, so what? An der Windschutzscheibe hängt ein Schild, dass die Guides sich sehr über ein Trinkgeld freuen würden, nein, stimmt gar nicht, da steht, dass es üblich ist, 10-15 Prozent dem Fahrer zu geben, damit sie gut über die Runden kommen. Können die nicht gleich ordentlich bezahlt werden? Die Weinprobe wird in einer halben Stunde durchgezogen. Zwei junge Frauen sagen geschäftstüchtig ihre Sprüche auf, es wird ein weißer Riesling und ein roter Cabernet/Merlot angeboten. Der rote schmeckt, wir nehmen eine Flasche für abends mit. Nächster Stopp ist in Niagara-on-the-Lake. Scott kündigt verheißungsvoll die absolute Attraktion dieses Städtchens an: ein Geschäft namens “Just Christmas”. Wow!

Wir halten vor einem der drei Theater. Schauspielkunst scheint hier äußerst beliebt zu sein. Besonders beim Shaw-Festival soll es bis zu acht Vorstellungen am Tag in jedem Theater geben und alle sollen immer gut besucht sein, meint Scott. Wir haben eine dreiviertel Stunde Aufenthalt in diesem sagenhaften Ort. Alles wirkt künstlich, übertrieben, von den geschnittenen Rasenkanten und sauberen Bürgersteigen, über die Superlative, mit denen das Eis angepriesen wird – es soll das beste Kanadas sein – wir haben es probiert, es ist vor allem teuer, bis zum “Just Christmas”- Highlight, auf so was haben wir ja schon lange gewartet! Manno, wir wollen doch nur zu den Wasserfällen! Nächster Stopp: bei einer Seilbahn, in der man über den Fluss schweben kann. Wegen einer besonders guten Aussicht? Keine Ahnung. Die Menschen stehen jedenfalls Schlange. Nächster Stopp: Bei den Hubschraubern. Wer möchte kann einen Helikopterflug zu den Fällen dazubuchen,  nur 120 CAD. Drei Leute steigen aus. Nächste Station: Unter einer Brücke. Wir lernen alle die drei Wörter “under the bridge” auswendig, weil wir uns hier um pünktlich viertel nach vier zur Rückfahrt treffen sollen. Dann endlich: Aussteigen. Wir bekommen Tickets für die Boote in die Hand gedrückt, wir können los. Jippie, Niagarafälle, wir kommen! Schnell in die Schlange für die Fahrstühle gestellt, nach unten transportiert, mit Tausenden von Menschen aller Nationen sich langsam und freudig Richtung Boot bewegt, ein rotes “Hornblower”-Cape aus Plastik übergeworfen, wir betreten das Boot. Und da sind sie, die amerikanischen Niagarafälle. Aus etwa 50 Metern Höhe stürzen sich Abertausende von Kubikmetern Wasser nach unten. Gigantisch. Umwerfend. Am Land auf der amerikanischen Seite wimmelt es von Menschen mit blauen und gelben Capes. In einem sicher genau ausgetüftelten Takt bewegen sich mal die kanadischen, mal die amerikanischen Boote in Richtung Horseshoefalls, den kanadischen Niagarafällen, und kreisen in ehrerbietenden Verneigungen vor diesem Weltwunder hin und her. Es spritzt, es wird gekreischt und gelacht, wir sind dem spektakulären Naturschauspiel sooo nah, es ist atemberaubend. Und dann geht es auch schon wieder zurück.

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Under the bridge

Den Rest der Zeit haben wir uns in ein Café mit direktem Blick auf den amerikanischen Niagarafall gesetzt, mit zwei Frauen geklönt – die Eine Schwedin, die Andere Kanadierin – und dann sind wir zurück zu “under the bridge”.

Auf der Rückfahrt hat Scott die Klappe gehalten und Musik angemacht. Ich glaube, nicht nur ich war froh. So konnten alle gemütlich vor sich hindösen.

Toronto Tag 4

27.7.2017 Toronto Tag 4
Heute sind wir schon zu fünft beim Frühstück: Melina, John aus Schottland, der 1976 nach Neuseeland ausgewandert ist und seitdem dort lebt, Gino aus Winnipeg, das 2000 km nordwestlich von hier liegt, und wo es im Winter schon mal minus 30 Grad kalt wird, und Dieter und ich. Die beiden Männer haben Familie und Kinder im Alter von unseren Kindern, Melina ist noch jünger, und ich vermute, dass sie keine Kinder hat. John mit seinem schottisch-neuseeländischen Dialektgemisch ist schwer zu verstehen, bei den anderen geht’s besser. Es regnet draußen, feiner, warmer Nieselregen. Auf der Yonge St. morgendliche Geschäftigkeit, immer mal wieder Bettler oder Leute am Straßenrand, denen es nicht gut geht. Wir gehen ins Eaton Centre, ein überdachtes, fünfstöckiges Einkaufszentrum. Die Geschäfte machen gerade erst auf. Wie alles in Toronto, ist es riesig. Luxus und Essen ohne Ende im Angebot, viele, sehr viele Sport- und Outdoorläden, Apple und Microsoft, H&M und die üblichen Bekleidungsketten, die es auch bei uns gibt. Wir sind weiter zum Ripley Aquarium und stellen uns in die Schlange. Nach einer Weile macht uns ein Angestellter darauf aufmerksam, dass es noch eine Stunde dauert, bis wir am Schalter sind. Nö, dann nicht. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und ist wieder heiß, feuchtheiß. Wir bummeln zum Hafen und kaufen uns zwei Tickets für eine Ontariosee-Rundfahrt an den Inseln vorbei. Eine junge Touristenführerin mit angenehmer Animationsstimme bemüht sich redlich, unsere Aufmerksamkeit zu ergattern oder besser noch: Begeisterung hervorzulocken.

Sie macht ihren Job gut, nur das Publikum bleibt verhalten. Gegenüber auf dem Boot ist eine etwa 50-köpfige junge, indische Reisegruppe. Kein Vergleich, sie winken und johlen, da tobt das Leben. 14 Inseln liegen vor Toronto, es ist verboten, dort nur einen Zweitwohnsitz zu haben, entweder ganz oder gar nicht. Und es gibt eine Grundschule, die zu 85 Prozent von Kindern vom Festland besucht wird. Die Inseln sind alle durch Brücken miteinander verbunden. Der Wasserpegel ist immer noch einen Meter höher als vor dem großen Regen, Bänke und Stühle am Ufer stehen vereinzelt noch im Wasser. Der CN Tower gegenüber liegt heute in Wolken. Wie gut, dass wir schon gestern dort waren.
Um 17 Uhr nehmen wir an einer Führung durch zwei über 100 Jahre alte Theater teil, die sich übereinander im selben Gebäude in der Yonge St. befinden, ein Doppelstocktheater: das Elgin und das Wintergarden Theatre. Zwei ältere Herren erzählen mit Leidenschaft von der Geschichte dieser früheren Vaudeville- und Varietébühnen. Unten waren ursprünglich über 2000 Sitzplätze, oben rund 1400. Heute werden beide Stätten an renommierte Gruppen oder Performer vermietet und sind Austragungsorte des Toronto International Film Festivals. Nach dem Tod des US-amerikanischen Pioniers der Filmindustrie und Theatergründers, Marcus Loew, 1927, wurde das untere Theater zum Kino umgebaut, wo bis 1981 Filme gezeigt wurden.

Das obere Wintergarden Theatre musste bereits 1928 den Betrieb einstellen und stand über 50 Jahre lang leer. Es wurde zum Fenster hinaus geheizt und ein beliebter Aufenthaltsort für Vögel, Katzen und anderes Getier. Prunk und Glanz von einst verblassten, das Interieur gammelte vor sich hin. Es gab Streit, ob die Theater nicht lieber einem Parkhaus weichen sollten. Erst Anfang der 80er Jahre entschied man sich, die Prunkstücke zu sanieren. Es ist gelungen, und besonders beeindruckend ist das Wintergarden Theatre. Alles ist wie ein Dachgarten gestaltet, die Wände mit an Pergolas sich hochrankenden Pflanzen bemalt, Bäume stehen zwischen den Zuschauerreihen, Wein und Lampions hängen von der Decke und darüber meint man, ganz oben, den blauen Himmel zu sehen. Perfekte, filigran erzeugte Illusion, wunderschön anzuschauen. Es soll inzwischen das einzige Theater dieser Art auf der Welt sein.


Gut gelaunt gehen wir in eine Nebenstraße der Yonge St. im laut TripAdvisor fünftbesten Restaurant Torontos essen: eine Mozzarella-Sellerie-Vorspeise und einen bombastischen unter anderem mit Auberginen und Avocado belegten Burger.

Toronto Tag 3

26.7.2017

Der Tag beginnt mit Michelles leckerem Frühstück und heute ist Melina aus Griechenland als neuer Gast dabei. Sie wird vier Tage hier bleiben, man wird sich also noch begegnen. Wir haben uns eine Tageskarte für den Nahverkehr besorgt und sind mit der Subway vom College nach St. Andrew gefahren. Geht wunderbar, die Bahn ist nicht überfüllt und äußerst schnell. Dann zu Fuß zum CN Tower. Um zehn haben wir unsere Tickets und schon geht es im Fahrstuhl aufwärts. Man kann nach draußen und nach unten schauen, muss man aber nicht. Auf 351 Metern sind wir raus.

355 Meter abwärts

Jetzt liegen die Wolkenkratzer unter uns, wir blicken von oben auf sie und auf den kleinen Flughafen auf der Torontoinsel hinab, wo im 15-Minutentakt Flieger starten und landen. Toronto sieht von hier aus wie eine Spielzeugstadt im Miniaturwunderland.

Wir gehen eine Etage tiefer, auf die Plattform mit dem Glasboden. Die kostenlose Attraktion schlechthin auf Torontos Wahrzeichen. Hier, 351 Meter über dem Abgrund, einen Kopfstand zu machen, das wäre der Hammer! Aber weder Dieter noch ich schaffen es, die Glassteine mit Blick in die Tiefe überhaupt zu betreten. Der Kopf will einfach nicht, Angst und Schwindel nahen und vernebeln den Verstand. Wir lassen es und sehen staunend den vielen Anderen zu, denen es nichts auszumachen scheint. Warum bekomme ich meine Gefühle nicht in den Griff? Wäre doch zu schön, ein Foto von hier mit Kopfstand mit nach Hause zu nehmen. Ich ringe mit mir, ich weiß, dass ich es kann, wieder fällt mein Blick nach unten und nichts geht mehr. Ich lasse es, wir lassen es. Wir gehen erst einmal einen Kaffee trinken. Später gelingt es uns dann doch, wenigstens über die Glasplatten zu laufen und uns einigermaßen cool für ein Foto über den Abgrund zu stellen. Aber mehr ist heute nicht drin. Das nicht gemachte Kopfstandfoto auf dem Glasboden des CN Towers von Toronto wird für immer nur in meiner Vorstellung existieren.

Wir sind dann Bus gefahren. Auch das ist unkompliziert und bequem in Toronto. Zur Destillerie, einer ehemaligen Schnapsbrennerei, die zum Kulturzentrum umgebaut wurde. Das ganze Areal erinnert an Barmbek, an den Platz um das Museum der Arbeit. Alle Gebäude sind wie dort aus roten Ziegelsteinen gebaut. Galerien, Kaffeehäuser, Schmuck- und Kunsthandwerkerläden, Biokosmetik, auch eine Desigual-Filiale und ein Theater, in dem tatsächlich zweimal täglich Vorstellungen laufen, die selbst um 14 Uhr gut besucht sind. Wir kommen an einer Chocolaterie vorbei, kaufen uns sechs Pralinen aus feinster Zartbitterschokolade und lassen uns diese Delikatessen genüsslich und langsam auf der Zunge zergehen. Superlecker!

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Lokale Cocktail-Delikatesse

Dann geht’s zurück zu unserer Pension für einen kleinen Mittagsschlaf. Abends sind wir noch einmal zum Hafen gefahren, eigentlich sollte dort eine Musikveranstaltung sein. War aber nicht. Dieter hat einen Cesar’s Cocktail ausprobiert, extra spicy, und ich fand es schmeckte grässlich, wie Maggisoße mit Pfeffer, aber er meinte, dass er doch hier sei, um neue Sachen auszuprobieren. Er wurde im Laufe des Abends jedenfalls immer beschwingter und mein Margarita bewirkte das gleiche.

Toronto Tag 2

25.7.2017 Toronto Tag 2

Unser Zimmer ist klein, aber gemütlich. Durch ein Oberlicht können wir vom Bett aus die Spitze des benachbarten Wolkenkratzers sehen. Nach einem ausgiebigen, liebevoll von unserer Wirtin Michelle zubereiteten Frühstück, ziehen wir los. Unsere Pension liegt zentral, alles soll zu Fuß gut erreichbar sein. Es ist warm, die Sonne scheint, und es weht ein leichter Wind. Vorbei an der Ryerson Universität, am  alten Tor zur Sportfakultät, dahinter moderner Neubau, ein schöner Park mit Kindergarten. Über 30000 eingeschriebene Studierende sollen hier lernen und forschen. Überall wird gebaut, Kräne, Arbeiter, Straßensperren, Ampeln. Statt Rot gibt es eine erhobene Hand als Stoppsignal.

Ein Mann liegt mitten auf dem Fußweg. Ich schaue mich um, niemand reagiert. Ich sehe, dass er atmet. Ich unterdrücke meinen Impuls zu fragen, ob ich ihm helfen könne. Warum?!  Vielleicht ist es nur eine Provokation, eine Aktion, um auf Armut auch in dieser nach Superlativen strebenden Stadt hinzuweisen? Ich fürchte, nein. Ich fürchte, dieser Mann, umringt von modernster Hochhausarchitektur und vorbeieilenden Menschen aller Nationalitäten und Klassen ist wirklich arm, und es geht ihm schlecht. Wir kommen zum Saint Lawrence Market. Viel Fleisch ist im Angebot, riesige Steaks, Fisch und Naschereien im Überfluss, Kaviar und Andenken. Wir machen eine erste kleine Trinkpause, beobachten das bunte Treiben.

Die Menschen sind freundlich, auch wenn sie nur ein Wasser verkaufen. Wir spazieren weiter. Nachdem wir das Straßengewirr von mindestens zwölf Spuren unter einer Brücke überquert haben – man wird bei jedem Abschnitt immer per Sekundenanzeige darauf hingewiesen, wieviel Zeit einem noch bleibt, bis wieder die Autos an der Reihe sind und die Stopphand erscheint -  kommen wir zum Ontariosee. Rechts ein verrosteter Kahn, auf dem gearbeitet wird, aber da vorn, links, da dösen Menschen am Ufer. Es ist Sand zu einem Strand aufgeschüttet worden, Stühle unter Sonnenschirmen laden zum Verweilen ein, kostenlos und für alle, sehr sympathisch! Hätte sich der Mann von der Straße nicht hier hinlegen können? Diedl, wir sind im Urlaub! Ich suche mir schnell einen freien Platz im Schatten und lasse dieses Glücksgefühl in mir wirken. Die Sonne knallt vom Himmel. Ausruhen, ankommen in Toronto, dieser boomenden Millionenstadt.

Nach einer Stunde verspüren wir neuen Tatendrang, schlendern die Waterfront entlang, rechts die Wolkenkratzergiganten, links der Ontariosee mit Segelbooten, Ausflugsdampfern und dem typischen Wasser-Hafengeruch, wie ich ihn von Alster und Elbe so liebe. Baden allerdings ist überall verboten. Warum? Gegenüber die Toronto-Inseln. Da werden wir wohl mal rüberfahren. Auf der langen Uferpromenade wird es um die Mittagszeit immer voller, touristischer. Überall werden Wassertaxis und Ausflugsfahrten angeboten. Nur: Für die Fähren ist das Anlegen drüben auf den Inseln zur Zeit verboten. Eine Folge der heftigen Regenfälle vom Mai, die Schäden sind immer noch nicht behoben. Die Einnahmeeinbußen  haben sich tief in die Gesichter der Wassertaxifahrer gegraben, auch wenn sie tapfer erzählen, dass sie dich an einem Teil der Insel für 10 CAD pro Person absetzen würden, ein Restaurant wieder geöffnet habe und sie dich auch bestimmt für weitere 10 CAD wieder abholen würden. Alle Schifffahrtsunternehmen werben damit, dass man sich für ihre beliebten Fahrten jetzt wenigstens nicht anstellen müsse. Schuld an der Misere sei wohl der Klimawandel, und überhaupt, man könne ja auch ohne Inselaufenthalt über den Ontariosee cruisen. Freuen können sich nun die Anbieter von Busreisen zu den Niagarafällen.  Wir schlendern weiter, zum nächsten Tourismushighlight Torontos, zum Canada National Tower. Von 1975 bis 2007 war er das höchste freistehende und nicht abgespannte Bauwerk der Welt mit seinen 553 Metern Höhe. Dann musste er den Superlativ an Dubais Burj Khalifa abgeben. Wir wollen uns vor Ort über aktuelle Besucherschlangen schlau machen. Ist überflüssig, man erfährt alles einfacher im Internet und bucht auch das Ticket am besten online. Wir verspüren leichten Hunger und das Bedürfnis nach einer Mittagspause. Es ist mittlerweile drei Uhr, und ich fürchte, ich habe schon einen Sonnenbrand. Wir essen im Goodman direkt an der Uferpromenade. Ich bestelle gefüllte Nachos und bekomme ein ganzes Tablett voll mit überbackenen Taccos, Bohnen, Avocadocreme und Salat. Dieter isst Pasta mit Salat und Chicken. Beides sehr lecker und sättigend.

Zurück gehen wir die Yonge St. entlang, Torontos Haupteinkaufsstraße und mit 1896 km die längste Straße der Welt. Sie entspringt sozusagen an der Grenze zu Minnesota, läuft von Norden nach Süden durch Toronto und mündet in den Ontariosee. Aber nicht einmal dieser Superlativ wird Toronto gegönnt. Nein, die Straße wurde zum Highway 11 umbenannt, der Ursprung in die USA verlegt und die Yonge Street offiziell auf jämmerliche 99 km verkürzt. Nur im Guinnessbuch gibt es noch den Eintrag über den Rekord.

Zurück in unserem Zimmerchen verarbeiten wir unsere Eindrücke.

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