Saint Siméon Tag 3

4.8.2017 Saint Siméon Tag 3
Unser Balkon liegt gen Osten. Um halb sieben ist es schon richtig warm und die Sonne scheint. Marcel geht joggen, oder genauer gesagt rennen, Dieter döst noch im Bett oder plant die heutigen Ausflugsziele, ich mache meine Yogaübungen. Wir essen unsere Toasts ohne Teller, immerhin gibt es heute bereits Melone, guten Orangensaft und Himbeerkonfitüre. Dann geht’ s los, wieder zur Fähre, übergesetzt Richtung Tadoussac, und weiter stromabwärts nach Les Bergeronnes. Dort soll es einen Aussichtspunkt zum Beobachten von Walen geben. Wir passieren ein Wärterhäuschen – diesmal ist es tatsächlich kostenfrei – uns wird ein Parkplatz zugewiesen, und wir werden freundlichst gewarnt, dass es unten auf den Felsen kühl sei, und wir auf jeden Fall einen Pullover einpacken sollten. Marcel hat nichts dabei, wir schon. Nach zehn Minuten Fußmarsch sind wir am Lorenzstrom. Boh, da sind ja schon an die hundert Menschen! Sie haben es sich auf den Steinen gemütlich gemacht und schauen auf den Fluss. Wir suchen uns ein Plätzchen in der Sonne, merken aber schnell, dass der Wind kühl ist. Und es geht eine heftige Brise. Irgendwie ist es schon komisch, da kommen Hunderte von Leuten her, starren gebannt aufs Wasser und nichts passiert. Man wartet und guckt. Whalewatching, die Trendbeschäftigung für Leute, die Zeit haben. Plötzlich sehe ich etwas Schwarzes im Wasser, ziemlich weit weg, aber mit bloßem Auge deutlich zu erkennen. Das muss ein Wal sein. Ich zücke mein Fernglas:

Wow! Das sind sogar zwei oder drei! Hier schwimmen diese Meeressäuger also tatsächlich rum, und wir haben nicht mal eine teure Bootstour bezahlen müssen, um sie zu sehen! Dann sieht Dieter ein Walross. Ja, tatsächlich, da kommt ein Kopf mit zwei Stoßzähnen aus dem Strom. Irre! Und plötzlich geht ein Raunen durch die Menge. Wir glauben, unseren Augen nicht zu trauen: da erhebt sich doch tatsächlich ein schwarzes, bestimmt sechs Meter langes Ungetüm aus dem Strom, direkt vor unseren Augen. Faszinierend! Wir fragen eine Angestellte dieses Zentrums, um was für einen Wal es sich denn gehandelt habe. Wir haben einen Minkwal gesehen, jeah! Marcel, der nur in Shorts und mit Hemd bekleidet ist, friert schon eine Weile vor sich hin, er muss zurück. Auch Dieter und ich treten irgendwann den Rückweg an. Das war ja gerade ein urkanadisches Erlebnis, absolut beeindruckend und beglückend! Dieter hat im Reiseführer einen Ort am Lorenzstrom ausfindig gemacht, an dem es einen netten Hafen geben soll: Wir fahren nach Essipit, vor allem, um etwas zu essen. Das Café und Bistro hat heute jedoch nichts im Angebot, gar nichts! Enttäuscht setzen wir uns auf die davorstehlenden, einladenden Stühle in die Sonne, schauen auf den Hafen und beobachten, wie sich vier Gruppen von Whalewatchern für ihre gebuchten Schlauchbootstouren ausrüsten:2017-08-04_kanada-9Alle ziehen eine gelbe Ölhose und eine rote Jacke an, manche haben zudem eine grasgrüne Pudelmütze auf. Vielleicht, damit man sie gut sehen kann? Pro Boot stechen etwa elf Leute in See. Ob sie tatsächlich näher an Wale herankommen als wir in Les Bergeronnes? Wir fahren zurück zum Saguenay-Fjord und nördlich von ihm gen Westen. In Anse de Roche soll es wieder einen kleinen Hafen mit Restaurant geben. Hoffentlich auch etwas zu essen! Eine kleine Straße, auf der der Verkehr am Ende einspurig mit Hilfe einer Ampel geleitet wird, führt zum Fjord. Wow, ist das schön hier! Ein kleines Restaurant lädt zu den üblichen Snacks aber auch zu Spezialitäten der Region ein, wir finden einen Tisch im Schatten und erfahren, dass wir gerade noch rechtzeitig gekommen sind.

In zehn Minuten würde die Küche schließen. Glück gehabt! Das Restaurant sei ein seit fünf Jahren von einer Familie geführter Geheimtipp, versichert uns der Gastwirt. Ich glaube, er hat Recht. Wir bestellen, zum ersten Mal seit wir in Kanada sind, Fischgerichte: Dieter Linguine mit Lachs und Marcel und ich Linguine mit Lobster. Es mundet außerordentlich, auch wenn es für Marcel gern etwas mehr hätte sein können.

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